Aufruf des Bündnisrats
des Internationalistischen Bündnisses
gegen jede imperialistische Aggression

vom 01.03.2022
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14.12.2020

Interview mit Renate Voß, Rostock-Lichtenhagen

Abschied nehmen von Büchern -
mit hoffnungsvollem Herzen


Monika Gärtner-Engel: Renate, du bist als eine Kennerin fortschrittlicher Literatur bekannt. So weiß man, dass du bei dem ersten Besuch des damaligen Parteivorsitzenden Stefan Engel ihm zum Abschied ein Buch von Aitmatov überreicht hast. Welche Bedeutung hat Literatur, haben Bücher für dich?
Renate Voß: Bücher sind für mich von Kindheit an eine Art Lebenselixier, weil ich immer schon daran interessiert war, etwas aus dem Leben anderer Menschen zu erfahren. Allerdings mache ich bestimmte Abstriche. Die sogenannte „Trivialliteratur“ hat bei mir keinen Platz - also irgendwelche Liebesromane oder was weiß ich. Wobei ich überhaupt nichts dagegen habe, eine schöne Liebesgeschichte zu lesen.

Derzeit machst du dich daran, eine ganze Reihe von Büchern aus deinem Bestand auszusortieren und zusammenzustellen für eine Reise nach Gelsenkirchen… Was hat es damit auf sich?
Das hat mehrere Gründe. Viele Bücher, die in der DDR erschienen sind, sind im Westen völlig unbekannt und mir liegt besonders am Herzen, dass so viele Leser wie möglich etwas erfahren über die Schicksale von Menschen, die während des Faschismus gegen die Nazis, gegen den Faschismus gekämpft haben. In der DDR kannten die Leute die Namen von Antifaschisten mehr oder weniger gut. Allerdings habe ich feststellen müssen, dass es im Westen, auch unter den Genossen, keineswegs so ist. Das ist der erste Beweggrund, um diese Bibliothek des antifaschistischen Widerstandes zusammenzustellen.
Der zweite Beweggrund ist: man muss heutzutage feststellen, dass gerade bei Jugendlichen es überhaupt nicht üblich ist - oder nicht in dem Maße, wie ich mir das wünschen würde - dass Bücher überhaupt gelesen werden.
Der dritte Grund ist ganz persönlich. Ich bin jetzt 77 Jahre alt und muss mir langsam Gedanken machen, was aus meiner reichhaltigen Bibliothek einmal wird, wenn ich damit nichts mehr anfangen kann.

An wen wirst du die Bücher geben und warum – und wie gehst du bei der Auswahl dieser Bücher vor?
Ich gebe diese Bücher an das Willi-Dickhut-Museum in Gelsenkirchen und habe diese „Bibliothek des antifaschistischen Widerstands“ mit der Bibliothek dort abgesprochen. Ich bin sicher, dass meine Bücher dort sehr gut aufgehoben sind und entsprechend interessierte Leser finden werden. Diese Bücher habe ich nach verschiedenen Gesichtspunkten ausgewählt, nämlich in drei Kategorien.
Der erste Teil enthält Berichte, Dokumente in jeglicher Form, auch in Romanform, über Widerstandskämpfer, die entweder von den Faschisten hingerichtet worden sind aufgrund ihres Kampfes gegen die Naziherrschaft, oder das überlebt haben und dann selber berichten konnten. Da gibt es interessante, spannende Erzählungen und Berichte über die Widerstandsarbeit, die in verschiedenen Ländern von deutschen oder auch ausländischen Antifaschisten geleistet worden ist.
Der zweite Komplex sind Berichte von Soldaten der deutschen Wehrmacht, die mehr oder weniger begeistert zur Wehrmacht eingerückt sind und dann im Verlaufe des Krieges immer mehr ins Grübeln kamen, ob das, was sie konkret erleben, wohl das ist, was zu ihrem Soldatenethos gehört. Irgendwann kamen ihnen Zweifel und sie lernten so peu à peu umzudenken. Das trifft ganz speziell auf die Soldaten und Offiziere zu, die Stalingrad erlebten, die dann in sowjetische Gefangenschaft gerieten. Leute, die dabei die Nazi-Propaganda durchschaut haben. Sie behauptete, die Russen machen keine Gefangenen, es werden sofort alle erschossen. Sie erlebten am eigenen Leib, dass das überhaupt nicht stimmt. Im Gegenteil. Gerade die Stalingrader, die krank und verwundet waren, sind von sowjetischen Offizieren, Ärzten und Schwestern versorgt worden. Die Gefangenen kamen dann auch in Verbindung mit Antifaschisten; mit Deutschen, die zum Beispiel im Nationalkomitee Freies Deutschland sich organisiert haben und mit den Kriegsgefangenen Gespräche führten, wenn sie das wollten. Diese Antifaschisten mussten aber auch erleben, dass es sehr viele, gerade von der Generalität oder insgesamt aus höheren Rängen gab, die immer noch den alten Denkmustern anhingen. Es gab aber auch hohe Offiziere, Generäle, die sich in den Dienst des Nationalkomitees Freies Deutschland gestellt haben.
Meine dritte Kategorie betrifft Literatur von sowjetischen Schriftstellern, die den Großen Vaterländischen Krieg von der anderen Seite her beschreiben - von der Verteidigung der Sowjetunion her. Da gibt es Berichte, angefangen vom Krieg 1939 gegen die japanische KwantungArmee im fernen Osten, über den Kriegsausbruch am 22. Juli 1941, als Hitler unter Bruch des Nichtangriffspaktes die Sowjetunion überfallen hat. Zunächst wurde die Rote Armee weit in den Osten ihres Landes zurückgetrieben. Aber irgendwann war dann die sowjetische Verteidigungsindustrie, aber auch die Armee so weit, dass sie die Faschisten zurückschlagen konnte. Die ganz große Wende war dann natürlich die Schlacht um Stalingrad. Die Autoren dieser Bücher sind meistens Frontberichterstatter gewesen. Ich nenne nur Konstantin Simonow und Boris Polewoi, aber auch andere, die über ihre Erlebnisse dort berichtet haben. Das ist nicht nur interessant und spannend, sondern oft sehr berührend.

Welchen Umfang wird diese Bibliothek haben, bis wann wird sie fertig sein und wie verabschiedest du dich selbst von diesen Büchern – fällt dir das nicht schwer?
Ja, gewissermaßen fällt es mir schwer. Es ist ein Abschied. Aber ich tue das gerne in der Hoffnung, dass diese Bücher dann auch - und hoffentlich vor allem - von der Jugend, die diese Zeiten überhaupt nicht erlebt hat, gelesen werden. Bis jetzt habe ich einen Umfang von etwa 80-100 Büchern. Da sind auch Dokumentationen dabei, die manchmal sehr alt und in einem nicht so guten Zustand sind. Zum Beispiel über den Reichstagsbrandprozess und die Rettung von Georgi Dimitroff in dem aufsehenerregenden Verfahren. Bevor ich aber diese Bücher aus der Hand gebe, lese ich jedes einzelne nochmals selber. Es ist sozusagen ein Abschiednehmen, aber mit hoffnungsvollem Herzen.
Wir haben jetzt Winter und ich möchte das bis zum Frühjahr abgeschlossen haben, so dass diese Bücherkisten dann nach Gelsenkirchen gebracht werden können. Außerdem möchte ich einen Vortrag darüber ausarbeiten. Nicht nur über Bücher allgemein oder speziell über diese Bücher, sondern über das Leben und das Handeln von Antifaschisten, die aktiv gegen die Nazis von 1933-45 gekämpft haben. Natürlich stelle ich dabei auch die hervorragenden Bücher, die schon im Programm MNW sind, vor.

Du sprichst allgemein von Antifaschisten. In der heutigen offiziellen „Erinnerungskultur“, auch der Ausrichtung der Gedenkstätten, werden immer mehr die Kommunisten verdrängt und an die Wand gespielt, zum Teil sogar diffamiert. Was sagst du nach deiner Kenntnis, aber auch aus dieser Literatur, über die Rolle der Kommunisten im antifaschistischen Kampf?
Es ist für mich überhaupt keine Frage, dass die Hauptlast, die Hauptlast betone ich, des antifaschistischen Widerstandskampfes die Kommunisten getragen haben. Meine Bücher mögen das beweisen. Es gibt natürlich auch bürgerliche Antifaschisten. Gerade von den „Stalingradern“ - sage ich mal kurz gefasst - sind sehr viele, die in ihrem Denken und Handeln eine Wendung durch die Erlebnisse herbeigeführt haben, aber deswegen keineswegs Kommunisten geworden sind. Die aus bürgerlichem Hause kamen oder durch eine Erziehung durch ihre Eltern, ihre Umgebung usw. keineswegs dazu neigten, Kommunisten zu werden. Es gab auch eine ganze Menge Christen, die sich aktiv eingebracht haben gegen die Nazis, weil Politik und Handeln der Nazis gegen christliches Ethos verstoßen hat. Um es noch mal ganz deutlich zu sagen: der Widerstand gegen den Faschismus in Deutschland war ziemlich breit. Deren Motive gegen Hitler zu kämpfen waren andere, aber auch wertvoll. Aber noch einmal: die Hauptlast trugen die Kommunisten.

Welche Rolle spielte die sozialistische Sowjetunion in der Zerschlagung des Hitler-Faschismus?
Die Nazipropaganda hieß ja, „wir müssen gen Osten ziehen, um den Bolschewismus auszurotten“, das sei eine „Gefährdung der gesamten zivilisierten Welt“ und deswegen muss es „gegen den Osten“ gehen. Man darf aber nicht vergessen, vorher haben sie die Tschechoslowakei annektiert, Österreich, sie sind in Frankreich, Belgien, Holland, Dänemark, Norwegen eingefallen. Aber dann ging es zunächst gegen Polen als Hemmnis auf dem Weg in den Osten gegen die Sowjetunion.
Womit die Nazis natürlich nicht rechnen konnten, weder die einfachen Soldaten noch die hohe Generalität bis zu Hitler - die konnten nicht damit rechnen, mit welcher Kraft und mit welcher Begeisterung die sowjetischen Menschen, nicht nur die Soldaten, sondern das ganze Land sich dagegen wandten, dass ihre Heimat von den Faschisten okkupiert werden kann. Die Kampfmoral und die Überzeugung für den Sozialismus war letztendlich unerklärlich für die Faschisten, die diesen Krieg angezettelt haben, weil sie das überhaupt nicht ins Kalkül gezogen hatten. Aber die Hauptursache ihrer letztendlichen Niederlage war, dass das Sowjetvolk sich derart intensiv und mit heißem Herzen gegen diese Okkupanten, gegen diese Eindringlinge gewehrt hat.

Siehst du auch aktuelle Bezüge der Entwicklung in Deutschland, die deine Bibliothek des antifaschistischen Widerstands besonders bedeutsam machen?
Ja natürlich. Wenn man die Entwicklung sieht, wie sich rechte Gruppierungen, Parteien usw. immer mehr hier etablieren können, wie es möglich sein kann, dass plötzlich irgendwelche selbst ernannten Kämpfer gegen jüdische Einrichtungen zum Beispiel wie in Halle zu Felde ziehen.
Da fällt mir ein Gespräch mit ehemaligen Kollegen ein, als ich noch erwerbstätig war. Da kamen wir auf die Entwicklung in Westdeutschland zu sprechen, was dort die NPD und verschiedene andere Neonazi-Parteien usw. anbelangt. Da haben einige von unseren Kollegen gesagt: ja, so etwas muss die Demokratie aushalten. Da gab's unter uns natürlich heftige Diskussionen.
Außerdem: ich wohne in Rostock-Lichtenhagen und was ich dort 1992 erlebt habe waren neofaschistische Umtriebe gegen eine Handvoll Flüchtlinge, die hier in Lichtenhagen in der zentralen Aufnahmestelle zunächst Asyl fanden. Als die Nazis dort in dieses Haus, in dem sie untergebracht waren - jenes berühmt-berüchtigte Sonnenblumenhochhaus - Brandsätze reingeschleudert haben und die Bewohner dort im wahrsten Sinne des Wortes um ihr Leben kämpfen mussten.
Zur Entwicklung heutzutage denke ich an einige Figuren der seit einiger Zeit existierenden Partei AfD. Ich denke da zum Beispiel an Björn Höcke, der nach Gerichtsbeschluss als Faschist bezeichnet werden darf, der aber frei weg hier seine Politik vertreten darf. Es ist noch nicht allzu lange her, da habe ich in einer Gesprächsrunde etwas von einem Historiker gehört, der gesagt hat: „Es ist immer die Rede von „Wehret den Anfängen“. Aber: die Anfänge sind längst da“. Er hat recht.

Renate, du hast das Buch geschrieben „Meine Fahrten nach Klaushagen“, das vom Verlag Neuer Weg heraus gegeben wird und großen Anklang fand. Ist denn eine „streitbare deutsch-deutsche Biografie“ – wie der Untertitel des Buches heißt – 30 Jahre nach der Wiedervereinigung überhaupt noch aktuell?
Ich finde das ist aktuell - nach wie vor. Die Entwicklung, dass Ost und West tatsächlich eine Einheit werden, ist längst noch nicht abgeschlossen. 30 Jahre sind einerseits eine lange Zeit. Andererseits betrifft die eigentliche Wiedervereinigung ja mehrere Generationen. So manche, die erst kurz vor der Wende geboren wurden oder danach, die kennen ja die eigentlichen Umstände gar nicht mehr. Deswegen ist auch dieses Buch nach wie vor empfehlenswert zu lesen, um die heutigen Widersprüche der verschiedensten Art besser verstehen zu können.

Es ist ja ein starkes Frauenbuch. Aber richtet es sich nur an Frauen - für wen kann das Buch sonst noch interessant sein?
Also, den Begriff Frauenbuch würde ich auf mein Buch nicht anwenden. Wenn ich auch eine Frau bin und über mein Leben schreibe, ist das für jedermann interessant. Bei den Lesungen, die es nach Erscheinen des Buches gab, waren sowohl die Frauen als auch die Männer an Fragen interessiert, so dass ich überhaupt noch nie auf die Idee kam, es könnte ein Frauenbuch sein.

Kannst du ein paar wenige Stichworte noch nennen, was wichtige und allgemein interessante Inhalte des Buches sind?
Ich habe den allergrößten Teil meines Lebens in der DDR verbracht, habe dort eine Ausbildung genossen. Ich konnte als ganz einfaches normales Arbeiterkind Abitur machen. Über 30 Jahre habe ich auf der Warnow-Werft gearbeitet und nebenbei vier Kinder bekommen und großgezogen. Ich hatte nie Probleme, Kinderkrippenplätze oder Kindergärtenplätze zu haben, so dass ich immer berufstätig sein konnte. So gesehen berichtet dieses Buch über das Leben in der DDR, über Sachen, die wir heutzutage schmerzlich vermissen, weil sie wirklich positiv waren. Nicht nur für Frauen, sondern für Familien und überhaupt. Aber so peu à peu bekam ich auch mit, wie es kam, dass die DDR unterging. Ich bin zu DDR-Zeiten nie in einer Partei gewesen. Aber der Sozialismus war für mich immer eine erstrebenswerte Gesellschaftsordnung und die Erfüllung dieses Ideals ist im Moment zwar weit in die Ferne gerückt. Aber ich habe die MLPD gefunden und meine, sie ist auf dem richtigen Weg, dem Sozialismus zu neuem Ansehen zu verhelfen.

Liebe Renate, vielen Dank für das Gespräch und wir freuen uns sehr auf die Bibliothek des antifaschistischen Widerstandes und insbesondere auch auf die Veranstaltung, die uns dieses wertvolle Geschenk - denn du sagst, es ist keine Leihgabe, sondern ein Geschenk - vorstellen wird.



Des Kommunisten Friedrich Engels darf jeder gedenken –

außer er ist Kommunist

Die Stadt Wuppertal streicht eine Veranstaltung des Willi Dickhut Museums zum Gedenken an Friedrich Engels aus dem offiziellen und bereits tausendfach veröffentlichten Programm, weil als Referentin Gabi Fechtner eingeladen wurde!

Der Vorstand der Willi Dickhut Stiftung macht den Vorgang bekannt:

Sehr geehrte Damen und Herren,
Wir möchten Sie über einen empörenden Vorgang informieren, der unsere Teilnahme an den Veranstaltungen zum 200. Geburtstag von Friedrich Engels in Wuppertal betrifft. Zur Information schicken wir Ihnen die Erklärung unseres Leiters Christoph Gärtner dazu und laden Sie herzlich zu der Veranstaltung am 23.4.2020 ein.
Wenn Sie Ihrem Protest Ausdruck geben wollen, richten Sie bitte ein E-Mail an:       matthias.nocke@stadt.wuppertal.de

Herzliche Grüße,
Ulrike Wester

Nachfolgend die Dokumentation des Briefwechsels:

08.11.2019 Willi Dickhut-Stiftung an die Herrn Nocke und Mucke wegen Engels2020

13.11.2019 Antwort der Stadt Wuppertal wegen Engels-Gedenken

15.11.2019 Brief des Leiters des Willi Dickhut Museums an die Stadt Wuppertal

11.11.2019 Werbung der Färberei für die Veranstaltung, die natürlich trotzdem stattfindet

11.11.2019 Werbung der Färberei für die Veranstaltung des Jugendverbandes REBELL

11.03.2020 - Zeitungsartikel der Wuppertaler Rundschau

31.03.2020 - Leserbrief in der Wuppertaler Rundschau

Zeitungsartikel der Wuppertaler Rundschau "Krise fordert revolutionäre Antworten"


Die Bücherei in der Horster Mitte bietet Ihnen eine Mitgliedschaft an, mit der sie günstig Bücher und elektronische Medien ausleihen können.

Für Einzelpersonen beträgt der monatliche Beitrag 2 € und umfaßt eine kostenlose Ausleihe von zwei Büchern und einer DVD / einem Hörbuch.

Für Familien beträgt der monatliche Beitrag 3 € und umfaßt eine kostenlose Ausleihe von sechs Büchern und drei DVDs / Hörbüchern.

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Mitgliedsantrag

Info unter:

Tel.: 0209 / 1771220
E-Mail: info@willi-dickhut-museum.de

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